Autorin
                            Kerstin Kirchhofen

Der Marionettenmord - Wer zieht die Fäden? 

Kann jeder einen Menschen töten? Diese Frage quält Leon Lange, einen schüchternen Kreditberater. Seit seinem Neuanfang in Frankfurt schneidet er in seinen Träumen Nacht für Nacht einer Prostituierten die Kehle durch. Als er Indizien eines realen Mordes in seiner Wohnung findet, zweifelt Leon an seinem Verstand.                   

Mit seiner besten Freundin Mia macht er sich auf die Suche nach der Wahrheit. Bei ihren Nachforschungen stoßen sie jedoch auf immer mehr Hinweise, die Leon belasten. Aber warum kann er sich nicht an die Tat erinnern?                              

Je tiefer Mia und Leon graben, umso mehr geraten sie in ein Labyrinth aus Lügen und Intrigen. 

Wem kann er noch vertrauen?


Probekapitel

Kapitel 1

Er, ein Mörder? Nach all dem, was er durchgemacht hatte, nach all diesen Schicksalsschlägen und den Verlusten konnte er kein Mörder sein.

Ein Schrei weckte ihn. Es war sein eigener schriller Schrei. Schweißgebadet schreckte Leon Lange hoch, mit geweiteten Augen und einem Puls, als wäre er einen Marathon gelaufen. Dabei war er in seinem eigenen Bett. Zitternd und keuchten saß er da, seine Beine merkwürdig verdreht in der Bettdecke verwickelt. Die Jalousien flatterten. Durch sein schwunghaftes Aufrichten war Leon gegen sie gestoßen. Das gestreifte Mondlicht erzeugte eine unheimliche Stimmung. Ein eiskalter Schauer lief ihm über den verschwitzten Rücken.
Schon wieder dieser Albtraum. Warum träumte er ihn immer und immer wieder? Mechanisch fuhr er mit seinem Finger über die Narbe auf seiner Hand.
Leon schlurfte ins Wohnzimmer und ließ sich seufzend auf die Couch fallen. Der Couchtisch war übersät mit Post. Nach einem kurzen Überfliegen, hatte er sie dort abgelegt. Die sollte ich endlich mal sortieren und abheften!
An Schlaf war jetzt nicht mehr zu denken, sein Kopf war hellwach. Obwohl er eigentlich todmüde war und sich am liebsten wieder hingelegt hätte, würde er nicht mehr einschlafen können. Wieso schnitt er dieser fremden Frau die Kehle auf? Seit drei Monaten quälte Leon dieser Albtraum, fast jede Nacht, und er fand keine Erklärung dafür. Lag es an der neuen Wohnung?
Es war noch früh am Morgen. Die vom schwachen Mondlicht erhellte Uhr über der Wohnzimmertür zeigte Viertel nach fünf. Sie tickte leise. Das Geräusch rief wieder die Erinnerung an den grausamen Traum wach. Aber warum? Eine Uhr kam in seinem Traum überhaupt nicht vor, sie hatte höchstens eine symbolische Bedeutung. Schließlich war die Lebenszeit dieser armen Frau abgelaufen. Endgültig.
Jetzt philosophierte er wieder vor sich hin. Es war doch nur ein alberner Traum!
Kopfschüttelnd stand Leon auf, er musste sich ablenken. Ein Glas Wasser und eine Joggingrunde würden ihm sicherlich guttun.
Als Leon zur Flasche griff, hielt er inne. Eine Boulevardzeitschrift lag aufgeschlagen auf dem Küchentresen. Er abonnierte solch einen überflüssigen Kram gar nicht. Langsam zweifelte er an seinem Verstand.
Leon keuchte erschrocken auf, als sein Blick auf den roten Kringel um einen Artikel fiel. Die Linien, die sich einen Weg durch die Worte bahnten, endeten jeweils mit einem Tropfen. Als er die Zeitung mit zitternden Händen fast senkrecht hielt, sahen sie aus wie herablaufendes Blut.
Den Filzstift, der herunter kullerte, nahm Leon nur unbewusst wahr. Sein Fokus lag einzig und allein auf dem Zeitungsausschnitt:


„25-jährige schwangere Prostituierte ermordet
Am Samstagmorgen, den 5. September, entdeckte ein Anwohner eine Leiche mitten in der Frankfurter Luxemburger Straße. Sie lag mit durchgeschnittener Kehle achtlos in einem Müllcontainer.
Bei dem Opfer handelt es sich um die heroinabhängige Prostituierte Lynn S.
Laut Obduktion war sie im siebten Monat schwanger. Die Befragungen in ihrem persönlichen Umfeld dauern noch an.
Wer ist ihr Mörder? Hat sich Lynn S. für den Kauf von neuem Stoff an den Falschen gewandt? War es der Vater des Kindes oder einfach nur ein Psychopath?
Die Polizei bittet um Hinweise.“


Bumm! Bumm! Leon fasste sich an die Brust, da sein Herz vor Entsetzen herauszuspringen schien. Eiskalter Schweiß lief seine Stirn hinab. Eine Panikattacke. Diesmal war seine schreckliche Vergangenheit nicht der Auslöser. Der Artikel beschrieb genau den Mord aus seinem Albtraum. Das konnte doch nicht sein!
Mit zitternden Fingern suchte Leon die Telefonnummer seines Therapeuten in der Kontaktliste seines Handys. Tag und Nacht, hatte Dr. Maximilian Stühler versichert, sei er für ihn erreichbar.
Leon vergaß, dass es für einen Anruf noch viel zu früh war. Er brauchte jetzt Hilfe, um nicht durchzudrehen.
Eine verschlafene Stimme meldete sich am anderen Ende der Leitung.
Leon platzte heraus: „Ich werde verrückt. Schon wieder dieser Traum und jetzt …“
„Ach, Herr Lange, was kann ich für Sie tun?“
Die Müdigkeit von Dr. Stühler schien verflogen, was Leon ungemein beruhigte.
„Ich war so in Panik, da habe ich Ihre Nummer gewählt. Ich befürchte ich drehe langsam durch.“ Leon biss sich in den Zeigefinger, der Schmerz konzentrierte seinen Verstand darauf.
„Was genau war der Beweggrund für Ihre Panikattacke?“
„Na ja, der Traum wirkte so real und die Frau … Wissen Sie, die Frau, sie sieht meiner Katharina so ähnlich.“
Dass die Unruhe hauptsächlich vom Zeitungsartikel herrührte, verschwieg Leon. Er war sich nicht sicher, wie weit Dr. Stühler in diesem Fall an die ärztliche Schweigepflicht gebunden war. Musste er der Polizei mitteilen, wenn einer seiner Klienten ein Mörder war? Vor Leons Auge erschien der Satz: Die Polizei bittet um Hinweise.
„Verstehe, Ihrer Ehefrau“, antwortete Dr. Stühler bedächtig.
„Was hat das zu bedeuten?“
„In den letzten Sitzungen haben wir uns viel über Ihren tragischen Verlust unterhalten. Sie verarbeiten gerade das Ganze und wollen sich endlich mit der Tatsache abfinden, dass es einfach nur ein Unfall war.“
„Klar, Unfall! Wenn sie mir schon nicht von der Kündigung Ihres Jobs erzählt hat, könnte auch am Unfall etwas falsch sein.“
„Kündigung?“, fragte Dr. Stühler verwundert.
„Als ich Katharinas Chef den tragischen Unfall mitteilen wollte, erfuhr ich, dass sie schon zwei Jahre zuvor gekündigt hatte.“
„Das haben Sie mir nie erzählt.“
Leon schwieg. Es war ihm unangenehm, dass er seine Ehefrau scheinbar nicht gekannt hatte. Sie hatte ihn angelogen. Seit zwei Jahren hatte sie schon nicht mehr für J. K. Consulting gearbeitet. War überhaupt etwas echt an Katharina?
Um von seiner Enttäuschung abzulenken, stellte er eine drängende Frage: „Warum bringe ich sie um?“
„Herr Lange, ich bin mir sicher, Sie können in der Realität nicht mal einer Fliege etwas zuleide tun. Neben der Verarbeitung Ihres Traumas spiegelt sich der Zwiespalt zwischen Wut und Zuneigung wider.“
Diese Erklärung beruhigte Leon ein wenig, brachte aber gleichzeitig wieder seine Wut auf Katharina hervor. Er atmete tief ein und aus.
„Ihre gemeinsame beste Freundin. Wie hieß sie noch gleich?“, fragte Dr. Stühler unvermittelt.
„Mia.“ Leon setzte sich auf den Küchenstuhl und zog die Knie an. Er zitterte.
„Stimmt, Mia. Sie war doch eine Zeugin des Unfalls.“
„Ja, aber es regnete in dieser Nacht und dann war da diese verschleierte Frau. Ein Crewmitglied hatte sie ganz in der Nähe des angeblichen Sturzes gesehen. Sie trug sogar eine Sonnenbrille, obwohl es mitten in der Nacht war ...“
Dr. Stühler unterbrach ihn: „Jetzt zweifeln Sie schon wieder an Mias Aussage. Genau das versuchen Sie während des Schlafes zu verarbeiten.“
„Hm… kann sein.“
„Sie vertrauen ihr doch, oder?“, fragte Dr. Stühler eindringlich.
„Ja klar, wir sind schließlich zusammen groß geworden. Wir sind durch die schwersten Zeiten gegangen. Ich würde ihr mein Leben anvertrauen.“
„Na, sehen Sie. Warum sollte Mia also lügen. Sie war sich doch ganz sicher.“
„Aber sie musste Katharinas Tod mit ansehen und war danach tagelang nicht ansprechbar. Durch den Schock könnte Mia ein wichtiges Detail verdrängen.“
„So etwas passiert, jedoch hat Mia den Vorfall therapeutisch aufgearbeitet, sodass nun eine Verdrängung ausgeschlossen werden kann. Oder gibt es neue Erkenntnisse?“
„Nein. Alles beim Alten,“ antwortete Leon zögerlich.
Seine Aussage, er würde Mia sein Leben anvertrauen, war nicht einfach so daher gesagt. Leon wusste, er konnte sich hundertprozentig auf sie verlassen, doch sein Zweifel galt immer noch einer erfolgreichen Therapie. Er konnte nun gut nachvollziehen, wie schwer es war, ein Trauma zu überwinden, da er endlich denselben Schritt gewagt hatte.
„Was halten Sie davon, wenn Sie gleich Montagmorgen vorbeikommen und wir uns persönlich unterhalten?“, bot Dr. Stühler an.
„Da muss ich arbeiten.“
„Wie wäre es danach? Passt Ihnen 17 Uhr?“
„Ja, prima, danke.“
Das Telefonat mit Dr. Stühler hatte Leon etwas entspannt. Für die Albträume gab es eine simple Erklärung. Er musste endlich aufhören, nach einem Grund für Katharinas Unfall zu suchen. Dr. Stühler hatte recht, zu einem Mord wäre Leon niemals fähig. Er war oft schläfrig, hatte vermutlich unterbewusst diesen Artikel markiert und die Zeitschrift versehentlich einer Nachbarin stibitzt. Alles nur ein Zufall. In Großstädten wurde doch fast täglich jemand umgebracht. Anders als in seinem Heimatdorf Effeld, wo sofort der Nachbar auf der Matte stand, wenn etwas Ungewöhnliches geschah. Beruhigt, dass der Artikel nichts mit ihm zu tun hatte, beschloss Leon, endlich eine Runde zu joggen. Seit dem Umzug vor drei Monaten war er kaum seinem liebsten Hobby nachgegangen.
Obwohl es immer noch erst kurz nach sechs Uhr war, zog er sich hastig um. Voller Vorfreude, den Asphalt unter den Füßen zu spüren, seinen Rhythmus zu finden und seinen düsteren Gedanken zu entkommen, startete er seine App, um die Strecke aufzuzeichnen. Beim Blick auf seine letzten Strecken stutzte er. Lediglich eine Aufzeichnung war gespeichert, mitten in der Nacht um 2:11 Uhr am 5. September. Merkwürdig!
Das Datum löste eine dunkle Ahnung in ihm aus. Hatte jemand an dem Tag Geburtstag? Ihm fiel niemand ein, schließlich lebte er seit Katharinas Tod zurückgezogen und traf sich hauptsächlich mit Mia.
Leons Knie wurden weich. Zudem spielte seine Temperatur verrückt. Erst überkam ihn eine Hitzewallung und plötzlich lief ihm kalter Schweiß über die Stirn. Er zitterte. Während er die Schweißtropfen hastig wegwischte, wurde ihm schwarz vor Augen. Leon ging langsam in die Hocke, um nicht umzukippen.
Ruhig bleiben! Dafür gibt es bestimmt eine vernünftige Erklärung. Als er sich ein wenig besser fühlte, erhob er sich und ging wieder zum Küchentresen. Sein Blick fiel direkt auf den markierten Artikel. 5. September! Die Zeilen verschwammen vor seinen Augen, nur ein paar Worte sprangen ihm entgegen: Prostituierte, Mörder, Polizei. Leon erbrach sich.
Nachdem er seine Mundwinkel von den Überresten des Erbrochenen mit einem Küchentuch befreit hatte, entsperrte er mit zittriger Hand sein Smartphone. Die aufgezeichnete Strecke führte zur Luxemburger Straße in seinem Viertel und wieder zurück zu seiner Wohnung. Herrgott noch mal, er würde sich doch erinnern können, wenn er um diese Zeit gejoggt wäre. Er musste den Mord mit angesehen haben und war dann vor Schreck auf der Stelle umgekehrt. Das würde auch seine Albträume erklären. Aufgewühlt schritt Leon durch seine Wohnung. Was sollte er tun? Musste er als möglicher Zeuge zur Polizei gehen?
Mia. Sie war die Einzige, die ihm helfen konnte. Doch er wollte sie unmöglich so früh wecken. Seit Katharinas Unfall hatte Leon ihre Hilfsbereitschaft schon häufig überstrapaziert. Er musste sich mit etwas Anderem beschäftigen, bis er Mia anrufen konnte.
Leon betrat das Arbeitszimmer, hier müsste es sein. Das Tablet hatte er noch nicht ausgepackt. Es war in einem der Kartons, die in einer Ecke standen. Ein You-Tube-Video von Truck Diary war jetzt genau richtig. Jemandem zuzuschauen, wie er seinen Lkw fuhr, würde ihn sicherlich ablenken. Das beruhigende Brummen des Motors hatte ihm schon in vielen verzweifelten Momenten geholfen.
Was war das für ein Geräusch? Ein Knarzen. Leon wippte mit den Füßen vor und zurück. Ein Dielenbrett war lose. Er bückte sich und klopfte darauf. Ein hohler Klang echote durch den fast leeren Raum. Hatte er ein geheimes Versteck gefunden? Jetzt war er neugierig.
„Mist!“, fluchte Leon, als sich ein Holzsplitter in seinen Finger bohrte. Er zog ihn raus. Mit erhobener Hand beobachtete er, wie das Blut sich seinen Weg von der Fingerkuppe, über den Finger bis hin zum Handgelenk bahnte. Provisorisch wickelte Leon ein Taschentuch um die Wunde. Gespannt griff er nach dem Brett, um zu sehen, ob sich darunter etwas verbarg. Tatsächlich handelte es sich um einen Hohlraum. Ein metallischer Geruch strömte in seine Nase. Der einzige klare Gedanke, den er fassen konnte, war, dass ihm sein Geruchssinn einen Streich spielen musste. Die Frischhaltefolie, in der, der Gegenstand eingewickelt war, musste doch verhindern, dass er den Duft wahrnahm.
Was er in dem Loch entdeckte, ließ erneut Übelkeit in ihm aufsteigen. Das war unmöglich!
Leon musste doch ein Mörder sein. Vor ihm lag ein Puzzlestück, das eindeutig seine Schuld bewies.
In dem Moment klopfte es an der Tür. Leon zuckte zusammen. „Aufmachen, Polizei!“


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